Deutscher Gewerkschaftsbund

12.09.2018

Esther Bejarano in Betzdorf und Neuwied

Esther Bejarano kam Anfang September mit der Microphone Mafia und ihrem Sohn Yoram für zwei Lesungen und Konzerte nach Betzdorf und Neuwied.

2. September, Betzdorf

Auftaktveranstaltung der Interkulturellen Woche im Kreis Altenkirchen. Über 400 Gäste kamen in die Stadthalle in Betzdorf.

Uwe Wallbrecher, Erster Bevollmächtigter der IG Metall Betzdorf, konnte im Publikum unter anderem die rheinland-pfälzische Sozial- und Arbeitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Landrat Michael Lieber und die Landesvorsitzende der GdP, Sabrina Kunz, begrüßen.

Auch die Erste Beigeordnete der Stadt Betzdorf, Marita Ganser, hieß alle Gäste in der Stadthalle willkommen. Sie stellte Esthers Aussage „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah“ ins Zentrum ihres Grußwortes.

DGB

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Der Auftritt in Betzdorf war fast auf den Tag genau zum 10-jährigen Jubiläum der Musiker, denn Esther Bejarano trat erstmals am 1. September 2008 mit der Microphone Mafia auf, damals in Frankfurt am Main.

Zum ersten Mal spielten sie auf dieser Tour das Lied "Bel Ami". Dieses Lied, sagt Esther Bejarano, habe ihr damals das Leben gerettet. Sie sang es im KZ und wurde danach ins Mädchenorchester aufgenommen. Nur so konnte sie dem sicheren Tod entgehen.

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Nach der letzten Zugabe stand das komplette Publikum auf und gab einen riesigen Applaus. Doch dabei allein blieb es nicht: mehrere begannen die "Die Internationale" zu singen - offensichtlich ganz zur Freude von Esther und ihren Jungs, die in den Chor miteinstimmten.

Bernd Becker, DGB-Kreisverbandsvorsitzender, sichtlich beeindruckt von dem Erlebten, bedankte sich herzlich bei den vier KünstlerInnen und überreichte ihnen ein kulinarisches Präsent. In seinem Schlusswort warnte Bernd Becker vor dem Rechtsruck, insbesondere mit Verweis auf die Vorkommnisse in Chemnitz, und motivierte dazu, sich in der Gesellschaft dagegen zu engagieren.

Unterstützt wurde die Veranstaltung von mehreren Vereinen und Organisationen, die vor allem auch im "Netzwerk Vielfalt und Demokratie im Kreis Altenkirchen" mitarbeiten, das die Interkulturelle Woche organisiert.

Dank der großen Unterstützung der Verbandsgemeinde Betzdorf-Gebhardshain konnte die Stadthalle kostenlos genutzt werden.

Die Veranstaltung wurde gefördert aus den Mitteln der Leitstelle „Kriminalprävention“ beim Innenministerium Rheinland-Pfalz.

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3. September, Neuwied

Der Amalie-Raiffeisen-Saal in der Volkshochschule Neuwied war nahezu bis auf den letzten Platz gefüllt und es war absolut still, als die KZ-Überlebende Esther Bejerano aus ihrem Buch „Erinnerungen“ vorlas.

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Die 93-jährige sprach mit eindringlicher Stimme über ihre Erfahrungen: sie kam als junges Mädchen nach Ausschwitz und überlebte, weil sie vorgab, Akkordeon spielen zu können. Da sie eine christliche Großmutter hatte, galt sie als viertel-arisch und wurde in das Frauen-KZ nach Ravensbrück verlegt. Auf dem sogenannten Todesmarsch, den die Nazis im April 1945 anordneten, gelang ihr mit einigen Freundinnen die Flucht. Sie erlebte den Tag der Befreiung zusammen mit russischen und amerikanischen Soldaten, die gemeinsam ein großes Hitler-Bild auf dem Marktplatz verbrannten. Diesen Tag nennt Esther Bejarano auch ihre zweite Geburt. Ihren Freundinnen, die in Ausschwitz zurückblieben, hatte sie versprochen, dass sie von ihren Erfahrungen erzählen würde, damit nicht geleugnet werden kann, was damals geschah.

Seit zehn Jahren tut sie dies nun zusammen mit den Rappern Kutlu Yurtseven und Rossi Pennino von der Microphone Mafia und sie bringen damit die Zuhörenden dazu, alle Schattierungen des Lebens wahrzunehmen und es miteinander zu feiern. Auf dem Programm standen im Konzert, das den zweiten Teil des Abends bildete, neben jüdischen Liedern wie „Sag nich keinmal“ oder „Wir leben trotzdem“ auch Partisanenliedern. Beendet wurde das Konzert mit der Zugabe „Bella Ciao“.

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Vor dem Konzert gab es ein kurzes Grußwort der vier Musiker, der vierte ist Esther Bejaranos Sohn Joram am Baß, an die Demonstration in Chemnitz und ein klares Bekenntnis zu: “Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!“

https://www.facebook.com/DGB.Region.Koblenz/videos/706036566443495/?fb_dtsg_ag=Adzh9JQzmzYJESE61jjHwp8WdKRHmumZ6ew6LXTGTKqYlQ%3AAdwVUSo5UXepuwrSAi_kxkzCEjWWwjKJE3RSyE-NsNkQhg

Der Kontakt zwischen Esther Bejerano und den Rappern kam zustande, als die beiden Kölner durch ein DGB-Projekt auf die Idee kamen, auch Erinnerungen von Überlebenden der Nazi-Zeit als Grundlage für ihre Songs zu nehmen. Wie Kutlu Yurtseven erzählte, brauchten sie jemand, der ihnen sagte, was angemessen sei und wo es Grenzen gäbe. Daraus wurde eine intensive Zusammenarbeit; die allein in den letzten drei Jahren zu 240 Konzerten führte. Mittlerweile gehören Rossi und Kutlu zur Familie, sind „Enkel“ von Esther. In einem Gespräch vor dem Konzert wies Esther Bejerano darauf hin, dass es ihr wichtig sei, „wir sind drei Generationen und drei Religionen. Und wir können zusammenarbeiten und lernen viel voneinander.“ Kutlu Yurtseven sieht es so: „Es ist uns eine Ehre, Teil von Esthers später Rache an den Nazis zu sein.“

Zu Beginn begrüßte Caroline Albert-Woll als Vertreterin der Volkshochschule und übergab an Rüdiger Hof, den Vorsitzenden des DGB-Kreisverbandes Neuwied. Das Publikum war bunt gemischt: neben Vertretern und Vertreterinnen aus der Kommunalpolitik, waren Organisationen wie die KAB, VdK, KAB vertreten, ebenso wie die Kirchen und die Wohlfahrtverbände, viele Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sowie vor allem viele jungen Leute. Einige Eltern hatten bewusst ihre Kinder ab 12 Jahren mitgebracht, damit „sie aus erster Hand erfahren, was damals geschah. Diese Chance haben wir nicht mehr oft.“ So fasste es ein Vater zusammen.

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Am Ende überreichte Sebastian Hebeisen, DGB-Regionsgeschäftsführer Koblenz, den Musikern und Esther Bejerano jeweils eine Schieferuhr, die die Kollegen von der IG BAU eigens angefertigt hatten, sowie eine Flasche NGG-Wein.

Die Veranstaltung wurde gefördert aus den Mitteln der Leitstelle „Kriminalprävention“ beim Innenministerium Rheinland-Pfalz.


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